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„Innovation entsteht durch Praxis“ – Laura C. Müller vom IK über die Chancen & Herausforderungen in der Kreislaufwirtschaft mit Kunststoffen

In unserer Serie #RIGKnachgefragt erhalten Sie in dieser Folge einen exklusiven Einblick in die Perspektiven von IK-Referentin Frau Müller, die in einem aufschlussreichen Gespräch die Kunststoffkreislaufwirtschaft beleuchtet.

Interview mit Laura C. Müller, IK Industrie- vereinigung Kunststoffverpackungen e.V.

Die Kreislaufwirtschaft mit Kunststoffen ist ein hochaktuelles Thema – zwischen politischer Regulierung, technologischen Innovationen und gesellschaftlicher Akzeptanz. Laura C. Müller gibt als Referentin für Wirtschaft beim IK und aktiv in der Initiative ERDE, spannende Einblicke in die Herausforderungen und Chancen der Branche. Ein Gespräch über Mythen, echte Fortschritte und die Zukunft der Kreislaufwirtschaft.

 

„Zwei Perspektiven, eine Mission“

  • Frau Müller, wenn Sie Ihre Arbeit beim IK in drei Sätzen beschreiben müssten – welche wären das?

Laura C. Müller: Ich analysiere branchenrelevante Daten und stelle sie über ein öffentliches Dashboard auf der IK-Website transparent dar. Gleichzeitig machen wir deutlich, welche zentrale Rolle die Kunststoffverpackungsindustrie für industrielle Wertschöpfungsketten und Endverbraucher spielt – und damit für die gesamte Volkswirtschaft. Mit Initiativen wie ERDE treiben wir die Kreislaufwirtschaft aktiv voran und dokumentieren messbare Fortschritte im Recycling.

  • Sie sind beim IK für Wirtschaftsthemen zuständig und gleichzeitig in der Initiative ERDE engagiert. Wie ergänzen sich diese Rollen?

Laura C. Müller: Sie greifen perfekt ineinander:

Anaylse & Strategie – Im Referat Wirtschaft erfassen wir, wo die Branche bereits stark ist und welche Potenziale es gibt, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Umsetzbarkeit & Sichtbarkeit – Mit ERDE setzen wir diese Erkenntnisse konkret um: Durch messbare Sammel- und Recyclingquoten zeigen wir, wie Kreislaufwirtschaft in der Praxis funktioniert.

Diese Verbindung aus analytischer Arbeit – dem „Kompass“ der Branche – und greifbaren Ergebnissen motiviert mich besonders. Wenn wir sehen, dass beispielsweise gebrauchte Silagefolien durch ERDE wieder zu neuen Produkten werden, zeigt das: Ökologische Verantwortung und wirtschaftlicher Erfolg sind keine Gegensätze.

„Die Kunststoffbranche ist überall“

  • Mit Ihrem Hintergrund in Wirtschaftssoziologie haben Sie eine spannende Perspektive auf die Branche. Was hat Sie daran besonders gereizt?

Laura C. Müller: Die Wirtschaftssoziologie betrachtet, wie wirtschaftliches Handeln in gesellschaftliche Strukturen eingebettet ist. Genau das macht die Kunststoffbranche so faszinierend – sie ist allgegenwärtig: Von Lebensmittelverpackungen, die Haltbarkeit sichern, über Medizinprodukte bis hin zu Gefahrgutverpackungen, die Menschen und Umwelt schützen.

Mich reizt besonders, wie diese Industrie wirtschaftliche Prozesse mit gesellschaftlichen Bedürfnissen verbindet. Nehmen wir die Landwirtschaft: Agrarkunststoffe steigern Ernteerträge, und mit ERDE schaffen wir daraus einen nachhaltigen Wertstrom. Es geht um mehr als abstrakte Wirtschaftstheorien – es geht um eine Branche, die Lebensqualität ermöglicht und sich gleichzeitig strategisch neu positionieren muss, um nachhaltiger zu werden.

„Kreislaufwirtschaft in der Landwirtschaft: Von der Nische zum Hotspot“

  • Kreislaufwirtschaft ist ein großes Schlagwort – was bedeutet sie für Sie persönlich und beruflich?

Laura C. Müller: Kreislaufwirtschaft bedeutet für mich, Nachhaltigkeit in die Praxis umzusetzen. Während viele Debatten abstrakt bleiben, zeigen wir beispielsweise mit ERDE, wie Kreislaufwirtschaft konkret funktionieren kann: 2013 starteten wir mit zwei Produktfraktionen und wenigen Partnern – heute sammeln wir zehn verschiedene Agrarkunststoff-Fraktionen, arbeiten mit über 25 Herstellern zusammen und steigern die Sammelquoten kontinuierlich.

Ein Schlüsselmoment für mich war zum Beispiel kürzlich, als ein Hersteller auf uns zukam und fragte: „Wir haben ein neues Material für Ballennetze entwickelt – können wir es in den ERDE-Kreislauf integrieren?“ Das zeigt, dass unser System nicht nur etabliert ist, sondern aktiv Innovationen inspiriert. Gemeinsam mit Recyclingpartnern testen wir im Rahmen eines Pilotprojekts jetzt, wie sich das Material verwerten lässt. Das ist ein Paradebeispiel dafür, wie Kreislaufwirtschaft in der Praxis funktioniert – durch Dialog, Flexibilität und das Zusammenspiel verschiedener Akteure.

  • Recycling von Agrarkunststoffen klingt für viele nach einem Nischenthema. Warum ist es so wichtig?

Laura C. Müller: Auf den ersten Blick mag das Thema speziell erscheinen, doch tatsächlich ist es ein entscheidender Bereich für die europäische Kreislaufwirtschaft. Agrarkunststoffe sind essenziell für die moderne Landwirtschaft – Silagefolien, Netze oder Tropfschläuche sorgen für effizientere Ernten, weniger Lebensmittelverluste und optimierte Bewässerung.

Gleichzeitig stellen diese Kunststoffe besondere Anforderungen an das Recycling: Sie sind oft mit Erde oder Pflanzenresten verschmutzt und müssen aufwendig gereinigt werden. Deshalb haben wir ERDE ins Leben gerufen – ein auf Agrarkunststoffe spezialisiertes Sammel- und Recyclingsystem, das mittlerweile europaweit als Vorbild dient.

Das Wachstum von ERDE zeigt, dass sich das Thema längst aus der Nische bewegt: 2019 haben wir dem Umweltbundesamt eine freiwillige Selbstverpflichtung übergeben, die wir 2024 mit noch ambitionierteren Zielen erneuert haben. Gleichzeitig gibt es ähnliche Systeme in Frankreich, Irland oder der Schweiz. Recycling von Agrarkunststoffen ist nicht länger ein Randthema – es ist ein wichtiger Baustein der europäischen Kreislaufwirtschaft.

„Mythen und Fakten: Was stimmt wirklich?“

  • Welche Erfolge konnte ERDE bereits erzielen? Gibt es auch Herausforderungen?

Laura C. Müller: Ein großer Erfolg: 2023 konnten wir durch unsere Sammelaktivitäten 36.188 Tonnen CO₂ einsparen – das entspricht der jährlichen CO₂-Bindung von etwa 2,6 Millionen Bäumen. Zudem konnten wir das System stetig erweitern, zuletzt um die Sammelfraktion der Tropfschläuche.

Herausforderungen gibt es aber auch: Agrarkunststoffe wie Silagefolien oder sandbelastete Spargelfolien erfordern hochspezialisierte Recyclingverfahren. Außerdem müssen Rezyklate preislich mit Neuware konkurrieren können – dafür braucht es stabile Absatzmärkte. Diese entstehen nur, wenn die Industrie Bereitschaft zeigt, Rezyklate in ihren Produkten einzusetzen. So erhalten Recycler die notwendige Planungssicherheit, um hochwertige Rezyklate wirtschaftlich herzustellen.

  • Gibt es einen weit verbreiteten Mythos über Recycling, den Sie gerne aus der Welt schaffen würden?

Laura C. Müller: Ja „Mülltrennung bringt nichts.“ Das Gegenteil ist der Fall! Je sauberer und sortenreiner Abfälle getrennt werden, desto effizienter können Recyclinganlagen arbeiten. Das gilt auch für Agrarkunststoffe – und auch hier ist die Initiative ERDE wieder ein echtes Best-Practice-Beispiel: Materialien werden gezielt nach Polymeren und Produktgruppen getrennt gesammelt, um hochwertige Rezyklate zu gewinnen. Und dass das wirklich funktioniert, zeigen die Erfolge ja ganz deutlich.

„Politik, Regulierung und die Zukunft der Kreislaufwirtschaft“

  • Regulierungen wie die neue PPWR stellen Unternehmen vor Herausforderungen. Wie unterstützt der IK dabei?

Laura C. Müller: Der IK begleitet seine Mitglieder mit themenspezifischem Austausch, individueller Beratung und Formaten wie der PPWR-Sprechstunde. Zudem haben unsere Experten einen praxisnahen PPWR-Leitfaden entwickelt, der Unternehmen bei der Umsetzung hilft. Unser Ziel ist es, Unsicherheiten abzubauen, damit sich Unternehmen auf Innovationen konzentrieren können.

  • Welche Trends in der Kunststoffbranche stimmen Sie besonders positiv?

Laura C. Müller: Die werkstoffliche Recyclingquote für Kunststoffverpackungen im Gelben Sack lag 2023 bei 68,9 % – ein Rekord! Seit 2018 konnte die Quote um 27 Prozentpunkte gesteigert werden. Das zeigt: Technologische Innovationen ermöglichen echte Fortschritte, selbst bei anspruchsvollen Materialströmen.

„Nachhaltigkeit braucht Innovation und Pragmatismus“

  • Was motiviert Sie morgens aufzustehen und sich für mehr Nachhaltigkeit in der Wirtschaft einzusetzen?

Laura C. Müller: Die Überzeugung, dass Kreislaufwirtschaft nur gelingt, wenn die Branchen selbst Verantwortung übernehmen. Unsere Initiative ERDE zeigt das eindrucksvoll: Gemeinsam mit Landwirten, Recyclern und Herstellern schließen wir Stoffkreisläufe für Agrarkunststoffe, die früher als „unrecycelbar“ galten. Innovation entsteht durch Praxis – und genau diese Fortschritte sichtbar zu machen, treibt mich an.

  • Wenn Sie einen Wunsch für die Zukunft der Kreislaufwirtschaft frei hätten – wie sähe der aus?

Laura C. Müller: Ich wünsche mir, dass der industrielle Mittelstand mehr Anerkennung und Spielraum für Innovation bekommt. Unsere Mitgliedsunternehmen sind oft "Hidden Champions", die heute schon recyclingoptimierte Kunststoffe entwickeln. Doch Bürokratie bremst diese Pionierarbeit aus. Wir brauchen Rahmenbedingungen, die pragmatische Lösungen fördern, statt sie zu behindern.

  • Was geben Sie der nächsten Generation mit?

Laura C. Müller: Seid offen für unkonventionelle Lösungen! Die besten Innovationen entstehen oft abseits der großen Mainstream-Themen. Und: Nachhaltigkeit ist ein Marathon, kein Sprint.

 

Noch Fragen?

Für weitere Informationen zur Kunststoffkreislaufwirtschaft sowie zur Arbeit des IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen e.V. wenden Sie sich direkt an Frau Laura C. Müller oder besuchen Sie die Website  des IK.